Summertime

Regie: Anna Luif

Dauer: 27:00

Produktionsjahr: 1999

Produktion: Samir, Karin Koch (Dschoint Ventschr)

Drehbuch: Anna Luif

Cast: Marina Guerrini, Samuel Weiss, Susanne-Marie Wrage, Lucy Marthaler u.a.

Hauptrolle: Nadja

Kamera: Stéphane Kuthy

Schnitt: Myriam Flury

Musik: Balz Bachmann

Schweizer Filmpreis 2001: Preis Bester Kurzfilm

Zürcher Filmpreis 2000: Preis Bester Kurzfilm

Festival Spiez 2000: Preis Beste Hauptdarstellerin Marina Guerrini

Festival international du court métrage de Clermont-Ferrand 2001: Prix Jury Œcuménique

Festival international du court métrage de Clermont-Ferrand 2001: Prix de la Presse Compétition Internationale

Internationale Kurzfilmtage Winterthur 2000:

Publikumspreis

Bamberger Kurzfilmtage 2002: Publikumspreis der Stadt Bamberg

 

14. AFI Los Angeles International Film Festival

37. Chicago International Film Festival

53. Festival internazionale del film di Locarno

8. International Film Festival of Kerala

12. Premiers Plans Angers

23. Festival international du court-métrage Clermont-Ferrand

30. Film Festival Rotterdam

11. Festival international du court-métrage Sao Paulo

Film Festival for Schools Luzern

46. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen

Filmfest Stuttgart Ludwigsburg

35. Solothurner Filmtage

13. Filmfest Dresden

9. Internationales Kurzfilmfest Tübingen

15. Festival du Film court de Brest

38. Internationale Filmfestwochen Wien

10. Internationales FrauenFilmFestival Köln

15. Festival du Film de Paris

25. Bamberger Kurzfilmtage

18. Bamberger Kurzfilmtage



Presse

 

TAGES-ANZEIGER

 

Sommerferien zu Hause können ätzend sein. Vor allem wenn man in der Agglomeration von Zürich wohnt und die Hormone das Erwachsenwerden melden. Da hängt man dann nölend auf ausgestorbenen Plätzen oder im Freibad herum und wartet auf Erlösung. In "Summertime" von Anna Luif kündet sich diese in der Tiefgarage der Siedlung an. Fast kippt der dreizehnjährigen Nadja die Kinnlade runter, als sie den flotten Flugkapitän von nebenan zum ersten Mal richtig sieht. Es dauert nicht lange, und ihr Blick wird schmachtend. Die Sommerferien sind gerettet. Dank der unsterblichen ersten Verliebtheit - und einer ersten Enttäuschung.

 

Mit der kleinen, grossartig erzählten Geschichte "Summertime" hat sich die 28-jährige Anna Luif in Solothurn den Förderpreis von Suissimage geholt und das Publikum begeistert. Was an ihrem Sommerstück, das mit Szenen aus Hitchcocks "Rear Window" und "North by Northwest" flirtet, überzeugt, ist die Unmittelbarkeit.

 

Versponnen-pubertär sind die Ideen, mit denen sich Nadja und ihre gewitzte kleine Freundin an die Eroberung des Piloten machen; packend authentisch die Dialoge zwischen den Mädchen, die von Marina Guerrini und Lucy Marthaler mit sichtlichem Vergnügen gespielt werden.

 

Wunderbar setzt die Autorin zudem das Gefühl der Verliebtheit in Tänze auf den Rollerblades um. Ausser vielleicht Noemie Lvovsky in "La vie ne me fait pas peur" hat jüngst kaum eine Regisseurin derart passende Zeichen für eine derart verrückte Zeit wie die Pubertät gefunden. (...)

 

 

COOPZEITUNG

 

Sommer in der Agglomeration. Für die 13-jährige Nadja kein Grund zur Freude, verspürt sie doch nichts von der unerträglichen Leichtigkeit des Seins. Bis ein junger Mann in den Nachbarblock zieht. Er sieht gut aus, trägt eine Sonnenbrille, ist Pilot - oder Agent? Das Mädchen beobachtet ihn, verliebt sich in den faszinierenden Erwachsenen. Mit Hilfe ihrer 10-jährigen Freundin Sandra unternimmt sie alles, um ihrem Traummann näher zu kommen ...

 

"Eine Inspiration zur Story lieferte Stefan Zweigs "Brief einer Unbekannten", in dem sich ein Mädchen in einen Nachbarn verliebt, der davon nichts mitbekommt", erzählt Luif. "Ausserdem wollte ich diese Sommerstimmung einfangen, die mich in Nadjas Alter besonders stark gefangen nahm: Draussen diese Leere und in mir drinnen passierte so viel." Das Handwerk hat Luif in der fünfjährigen Ausbildung an der Hochschule für Gestaltung und Kunst gelernt. Bei "Summertime" war jedoch auch die Intuition von grosser Bedeutung.

 

Für ihren halbstündigen Kurzfilm, der auch dank der erstaunlichen Leistungen der jungen Hauptdarstellerin Marina Guerrini Einblick in die pubertäre Gefühlswelt gibt, erhielt die 28-jährige Zürcherin Anna Luif in Locarno in der Sektion "Leoparden von morgen" für neue Schweizer Talente zwei Preise.

 

Die internationale Jury lobte die subtile Einfühlsamkeit, die Leichtigkeit und Sicherheit, mit der die Regisseurin einen Sommer zwischen Kindsein und Erwachsenwerden erzählt. "Summertime" erhielt zuvor den Nachwuchspreis Suissimage, den Grand Prix in Angers und eine lobende Erwähnung in Oberhausen sowie Marina Guerrini den Darstellerinnen-Preis in Spiez.

 

"Von den 30 Mädchen, die sich auf unser Inserat gemeldet haben, lud ich 18 zum Casting ein, aber als ich Marina sah, die als Erste an der Reihe war, zweifelte ich schon nicht mehr, dass ich meine Nadja gefunden hatte - und traf auch niemand mehr mit so viel Talent."

 

Die Gymnasiastin hatte mit dem Wechsel von der Schülertheater-Bühne vor die Kamera keine Mühe. "Anna erklärte mir, was in Nadja vorgeht, und ich konnte mich gut in sie hineinversetzen - obwohl ich nicht glaube, dass ich mich in einen 30-jährigen Mann verlieben könnte!"

 

Die schwierigste Szene war für Marina, als sie ihm in seiner Wohnung ihre Zuneigung zeigen soll. "Bei den Proben hat Marina nur die Hand des Schauspielers geküsst, aber bei den acht Mal, in denen wir gedreht haben, nahm sie - ohne dass ich auf sie eingewirkt hätte - ihren Mut zusammen und legte seine Hand auf ihre Brust", erinnert sich Luif.

 

Dabei lächelt Marina verlegen, aber der Glanz in ihren Augen verrät auch Stolz. Zu Recht, denn ihr wie der Regisseurin, die momentan das Drehbuch zu ihrem ersten abendfüllenden Kinofilm schreibt, ist in Zukunft noch viel zuzutrauen.

 

 

WOZ

 

(...) Das damit verbundene Drama entpuppt sich in "Summertime" als das erzwungene Aufgeben der Maxime, dass mit genug Mut, Fantasie und Wille einfach alles zu erreichen sei. Zweifellos auch die Eroberung eines hübschen Piloten. Aber plötzlich heisst es: Vergiss es, Kleine, das hier sind Erwachsenenspiele! Die 13-jährige Protagonistin Nadja erfährt, dass sie nicht immer und zwingend liebenswert ist. Im Hintergrund singt Louis Armstrong dazu George Gershwins Song "Summertime", der seit 1935 nichts von seiner bittersüssen Magie eingebüsst hat. (...)

 

Was es in der Kindheit der Regisseurin auch gab, war eine Betonsiedlung, wie die, in der Nadja mit ihrer Mutter lebt. "Ich habe nach einem Drehort gesucht, der dieser Stimmung entspricht, die ich als Kind in Zürich-Witikon erlebt habe." Anna Luifs Eltern, beide AkademikerInnen, sind unabhängig voneinander 1956 aus Ungarn über verschiedene Umwege in die Schweiz geflüchtet. "Ich kann nicht beurteilen, inwieweit mich die Geschichte meiner Eltern geprägt hat. Obwohl ich immer in Zürich geblieben bin, glaube ich aber, eine Art innere Flexibilität zu haben, die damit zusammenhängt."

 

Ganz sicher ist Anna Luif risikofreudig. Natürlich sind im Nachhinein gesehen die beiden Mädchen (Marina Guerrini und Lucy Marthaler) in "Summertime" ganz einfach umwerfend, aber wer würde schon das Risiko eingehen, hätte er/sie endlich das Geld für einen Kurzspielfilm zusammen, ausgerechnet mit Kindern zu arbeiten? "Ich finde das überhaupt nicht schwierig. Das Wichtigste ist das Casting. Marina habe ich aus 18 Mädchen ausgesucht. Ich wusste einfach, dass es mit ihr klappt. (...) Manchmal habe ich einfach Bilder benutzt, um ihr zu erklären, was ich will, aber meist haben wir ganz normal über die Geschichte geredet. Es war super, wie sie das umgesetzt hat."

 

Das Besondere an Anna Luifs Erzählweise sind die kleinen Hinweise, die sie überall streut, die dem Publikum detaillierte Auskünfte über die Personen geben. Diese knappe, aber äusserst präzise Sprache macht aus der einfachen Liebesgeschichte etwas Grösseres: Aus der Perspektive der Pubertierenden wird eine Erwachsenenwelt gespiegelt, deren AkteurInnen selber mit einer gewissen Orientierungslosigkeit zu kämpfen haben. Zum Beispiel Nadjas Mutter, eine Alleinerziehende, deren Selbstwertgefühl proportional zu ihrem Liebesleben zu- oder abnimmt. Oder der Pilot, der seine Einsamkeit zwischen den Flügen ganz unglamourös mit der erstbesten Nachbarin, nämlich Nadjas Mutter, bekämpft.

 

Dass diese abgeklärte Form von Liebe gegen Nadjas feurige, mit Terroristen garnierte Version davon gewinnt, ist also nicht nur das realistische Ende der Geschichte, sondern darüber hinaus auch eine ziemlich nüchterne Einschätzung der gegenwärtigen Lage im Krieg der Geschlechter. "Ich wollte keinen explizit feministischen Blickwinkel einnehmen, es ist mir einfach diese Geschichte eingefallen. Ich selber bin viel feiger als die Mädchen im Film. Ich glaube, dass ich zu denen gehöre, die wahnsinnig davon profitieren, was andere Frauen vor mir geleistet haben. Ich gehöre aber auch zu einer Generation, die ihre Sachen rücksichtslos egoistisch durchzieht. Das ist einerseits schön, weil ich meinen Traum leben, mich in die Arbeit vertiefen kann, die mein Leben lebenswert macht. Auf der anderen Seite bin ich davon so absorbiert, dass gewisse soziale Kontakte wegfallen. (...)