"NORMA DORMA" feiert UK-Premiere in London



Norma dorma

Regie: Lorenz Suter

Dauer: 01:30:00

Produktionsjahr: 2025

Produktion: Voltafilm (Stephan Heiniger, Romana Lanfranconi) / Lorenz Suter

Drehbuch: Lorenz Suter, Bigna Tomschin, Stefan Künzler, Marina Guerrini

Cast: Marina Guerrini, Jeroen Engelsman, Jeanne Werner, Jeanne Devos, Sonia Diaz, Agnes Lampkin, Joachim Aeschlimann, Nicolas Batthyany, Barbara Goettgens, Marlon Guerrini, Senna Guerrini, Loredana Baratti, Luka Popadic, Raoul Walzer, Francesco Gattani, Dea Volvic, Patrik Byber u.a.

Hauptrolle: Norma Hauser

Kamera: Stefan Künzler

Schnitt: Bigna Tomschin

Musik: Pawel Pomes

 



Presse

SENNHAUSERS FILMBLOG

 

Es gibt Menschen, die träumen anders als wir. Das ist die zentrale These von Schlafforscherin Mikka (Jeanne Werner). Die Idee kommt nicht so gut an im Parallax-Verlag, dessen Geschäftsmodell eher auf Verschwörungstheorien basiert. Aber Lektorin Norma (Marina Guerrini) fährt der Thesentitel «Dormir sans dormir» ein wie ein Blitz. Denn Norma kann zwischen Wachsein und Traum kaum mehr unterscheiden, seit der Vater ihres Sohnes verschwunden ist. Am Kühlschrank hat er einen Zettel hinterlassen: Bin nicht weg. Komme wieder. H. «Öppis schtimmt nit mit däre Wält», hält Norma wiederholt fest. Und: «Sit ich Muetter bin, isch nüt meh normal».

 

Wohin darf sich eine Mutter flüchten, wenn die Realität zu viel wird? Oder zu wenig? Dürfen wir uns in Schönheit verlieren, in der Schönheit eines Traumes? Oder wird er dann zum Alptraum?

 

Norma dorma ist ein traumhaft schöner Film. Für die Augen sowieso, die klare, rotstichige, satte Farbpalette macht aus bekannten Zürcher Orten wie den Sugus-Häusern, aber auch aus dem Origens Ospizio, dem roten Turm auf dem Julierpass, oder dem Erdhaus Villa Vals flirrend reale Traumorte. Vor allem aber ist es das Gesicht von Marina Guerrini, das uns mit einem Lächeln, einem Strahlen, einem Leuchten durch all diese verträumten Momente mitnimmt, die Sicherheit der filmischen Inszenierung verstärkend zu einem grossen Vertrauen in eine Schönheit, die uns ziemlich sicher nichts Böses will.

 

Suter hat wieder mit Marina Guerrini gedreht, mit den gemeinsamen Kindern, und mit jenen wohl zum Freundeskreis zählenden Darstellerinnen und Darstellern, die schon in seinem Erstlingsfilm Strangers keine Fremden waren. Auch das trägt offensichtlich dazu bei, dass Vertrauen und Vertrautheit, Geborgenheit und Zuversicht in diesem Film selbst dann gegeben bleiben, wenn die Traumlandschaft brüchig wird und sich gegen die filmische Realität zu sträuben beginnt.

 

Den fliessenden, subjektiven Zustand, in dem sich Norma befindet, kennt die reale Schlafforschung als paradoxe Insomnie, ein Gefühl der Schlaflosigkeit trotz echter Schlafphasen. In Norma dorma ist es witzigerweise Normas Smartwatch, die – laut und deutlich – eine messbare Realität behauptet, und dabei wie ein Alien wirkt, ein nüchterner Fremdkörper, dem auch wir angesichts des wundervoll verträumten Zeitflusses nicht folgen mögen.

 

Schon mit Strangers von 2018 schaffte es Lorenz Suter, unser Vertrauen in die Regeln und Gewohnheiten des Kinos zu Handläufen und Ariadne-Fäden durch eine potentiell verwirrende Plotschleifenlandschaft zu machen. War es in Strangers das Echo des Dreiecks um Bogeys Philip Marlowe und die Sternwood-Schwestern (Lauren Bacall, Martha Vickers) in The Big Sleep, so taucht in Norma dorma andeutungsweise ein Hauch von Sophie’s Choice auf, ohne allerdings die traumartige Atmosphäre tatsächlich in einen Alptraum kippen zu lassen.

 

Die Erfahrungen, die wir im Traum machen, sind real. Das betont ein Satz der Schlafforscherin Francesca Siclari im Vorspann von Norma dorma. Analog dazu schwingt in cinephilen Köpfen stets der Wunsch mit, das gelte auch für die Erfahrungen, die wir im Kino machen. Und doch: Als notorische Kinogänger kennen wir Zuschauerinnen und Zuschauer die gesellschaftlich gesetzten Grenzen. Das Wort von der «Traumfabrik» nagt an uns ebenso wie die puritanische Angst vor unzulässigem Eskapismus. Lorenz Suter erlöst uns von all dem.

LUZERNER ZEITUNG

 

Mitreissender Film aus Luzern: Wir leben in Träumen und träumen das Leben - doch führt uns das in die Freiheit? Der Film «Norma Dorma», produziert von der Luzerner Firma Voltafilm führt uns in die Träume einer alleinerziehenden Mutter. Und zu Fragen,

die uns alle berühren. Etwa: Was würden wir für totale Freiheit opfern?

 

Etwas stimmt nicht mit der Welt. Konstatiert Norma. Auch bei sich selber. Seit ihr Partner spurlos verschwunden ist und sie mit ihrem kleinen Sohn

zurückgelassen hat, ist ihr Zeitgefühl weg. Die Tage wirken austauschbar, verschwimmen ineinander. Sie halluziniert, sieht ihren Partner, unterhält sich mit ihm, obwohl sie weiss, dass er nicht mehr da ist. Nur einen Zettel am Kühlschrank hat er hinterlassen. Seither ist sie vergesslich und fahrig in ihrem Job als Lektorin eines Verlags. Auch wenn ihre Smartwatch behauptet, sie habe gut geschlafen, fühlt sie sich erschlagen. Und vor allem ist sie wieder schwanger. Obschon sie doch nur im Traum mit ihrem verschwundenen Partner geschlafen hat.

 

Wie real sind Träume? Wie verträumt darf das Leben sein? Ist es etwas, das wir selber entscheiden können? Um der Eintönigkeit, dem Druck und der Verantwortung zu entfliehen? Um totale Freiheit zu gewinnen? Darum geht es im neuen Spielfilm des Schweizer Regisseurs Lorenz Suter, produziert von Voltafilm Luzern. «Norma Dorma» läuft am Donnerstag, 17. Juli, in Schweizer Kinos an, etwa im Bourbaki Luzern.

 

Der Film zeigt die Entgrenzung zwischen Traum und Wirklichkeit auch visuell. Mitunter ist die Farbgebung praktisch naturalistisch, dann wiederum dominieren übersatte Farben mit eingestreuten surrealen

Rottönen. Derweil bewegt sich Norma in ihrer Wohnung oder in den Verlagsräumen, dann wieder in einer imaginierten Familienidylle mit ihrem Mann, ihrem Sohn und der inzwischen geborenen Tochter. In einer wildromantischen Landschaft. Doch nicht alles, was zum real wirkenden Teil gehört, ist es auch. Da ist der Film doch wesentlich komplexer.

 

Die Story erhält eine Wendung, als die neue Verlagsmitarbeiterin Mikka auftaucht. Die junge Frau hat sich mit Forschungen zu Menschen mit

besonderen Traumfähigkeiten befasst. Mit Menschen, die im Schlaf gewissermassen wach sind. Die einen Ausweg gefunden haben. Aus dem öden Alltag? Im Traum kann man leben, wie man will, sagt Mikka. Kann man? In ihren Forschungen hat sie offenbar früher mit Normas Partner zusammengearbeitet. Und nun will sie Norma mitnehmen in diese Freiheit.

 

Der Film lässt bewusst einiges im Uneindeutigen. Ist das alles nur Einbildung einer vom Verlust des Partners traumatisierten Frau? Geht es um die Überforderung einer nun alleinerziehenden Mutter? Ist die zweite Schwangerschaft und damit das Kind überhaupt real? Am Ende scheint es einige Antworten zu geben, die wir hier natürlich nicht verraten.

 

Sicher aber feiert der Film nicht einfach den

Eskapismus ab. Nicht nur die vermeintliche Freiheit in

Träumen, die mitunter auch zu Albträumen werden

können. Oder womöglich ein Ideal vom Leben in totaler Virtualität. Er zeigt auch Gegenkräfte wie Liebe und Verantwortung, die uns in der Realität und im nicht immer freien und spektakulären Alltag halten.

 

So packt er auf verschiedenen Ebenen: dank seiner Story, seiner Bilder und nicht zuletzt dank seiner Darsteller. Vor allem die Zürcherin Marina Guerrini fasziniert als Norma mit ihrem nuancierten Spiel und einem Charisma fern von jeglichem «Overacting».

 

Der Film ist reine Fiktion. Doch Normas Zustände und

Wahrnehmungen entsprechen durchaus Erkenntnissen der Schlafforschung. So wird unter paradoxer Insomnie das subjektive Empfinden von Schlaflosigkeit beschrieben, das jemand trotz realer Schlafphasen hat. Und dass Erfahrungen, die wir während des Schlafens machen, uns nicht nur im Moment real erschienen, sondern mindestens in ihrem bewussten oder unbewussten Nachhall Realität sind, wissen wir alle.

CINEUROPA

 

Lorenz Suter tackles the topic of parenthood, cannily playing with the concepts of reality and fiction, the difficulties of everyday life, and the desire to escape to reassuring parallel worlds.

 

After depicting an ambiguous love triangle which turns to tragedy in his first feature film Strangers, Lorenz Suter is now presenting Norma Dorma - where the concept of a couple of once again overturned - in a world premiere within the Solothurn Film Festival’s Panorama section, and in the running for the Orizzonti Prize. Both works are shrouded in a veil of mystery, as if the reality in which its protagonists are operating were crumbling, frame by frame. How do you come to terms with the disappearance of the person you thought you could build a future with? What drove that person to run away? Norma (Marina Guerrini), the protagonist in Suter’s latest feature film, reluctantly finds herself facing these dilemmas, forced to accept radical changes which she definitely hadn’t envisaged.

 

Norma needs to protect herself from a reality that’s too hard to accept, from an inner void which is turning into a treacherous sinkhole. Her partner has mysteriously disappeared and her son, Lenny, seems to be growing up too quickly, as if time had broken the banks which channel and contain him. Norma fights tooth and nail to stay above water, between her now-mundane job and still-small child who requires her constant presence. Reality is becoming too cruel and brutal for her, so Norma opts to take refuge in parallel worlds where all kinds of problems seem solvable. In these paradisiacal yet troubling universes, she meets and communicates with a partner called Henri, an ambiguous character who harasses and seduces her.

 

Norma realises that the parallel experiences she’s embarking on aren’t limited to the dreamworld. The mark they leave on her is deeper and more profound, like a scorch mark on her soul which she can’t and doesn’t want to heal. One morning, she wakes to find herself mysteriously pregnant, feeling a tangle of emotions ranging from happiness to terror in response to this physical change which seems to embody all of her repressed hopes. It’s at this point that her already chaotic life is disrupted by Mikka (Jeanne Werner), a young sleep scientist whom Norma learns is connected to her partner who’s also a university researcher. Maybe Mikka will provide her with the key to her son’s father’s past and to the secrets which drove him to step back before vanishing into thin air? Like a hippie Charon, Mikka shows Norma the road towards a surreal world caught between dreams and lysergic delirium. Norma relaxes into Kafkaesque journeys where her family is once again reunited, a seemingly “perfect” family composed of happy and enviably relaxed parents, and equally calm and gentle children. But what hides behind this seemingly idyllic tableau? The dream subsequently turns into an abyss which swallows up our protagonist, detaching her from reality.

 

Norma Dorma is a surreal melodrama where reality and fiction go head-to-head with no holds barred. Parenthood is central to this union - parenthood which the protagonist would rather conformed to social norms, consisting of a partner and two children, peacefully and harmoniously cohabitating under the same roof. But her partner’s disappearance sees this normality deteriorating before her eyes.

 

In her dreams, she’s still drawn like a magnet to the idea of the “perfect” family, which society has convinced her is “natural”, the ultimate objective for an existence aspiring to productivity and reproduction. But, in the face of professional and personal lives which are far from standard, she realises it’s all an illusion. Norma must learn to accept the “imperfection” and “difference” which are now a part of her everyday life, she must learn to live with them and reassess her dreams and ideals. For is it not the knowledge of our own convention-defying uniqueness which sets us free? And is it not the acceptance of diversity which teaches Norma to look inside of herself without fear?